Vor 50 Jahren wurde die ehemalige belgische Kolonie Kongo in die Unabhängigkeit entlassen. Seit 1885 gehörte das Gebiet zum Privateigentum des belgischen Königs Leopold II. Dieser herrschte mit menschenverachtender Grausamkeit. Zu dieser Zeit war Kautschuk der wichtigste Rohstoff des Landes. Bei Untererfüllung des Liefersolls wurden den Menschen die Hände abgehackt. Bei Widerstand wurden ganze Dörfer ausgelöscht. Es gibt Schätzungen, denen zufolge in der Zeit von 1885-1908 5 – 10 Millionen Menschen ihr Leben ließen. Die Gräueltaten wurden von anderen Kolonialmächten propagandistisch ausgeschlachtet. Joseph Conrads Roman „Herz der Finsternis“, in dem die Grausamkeit der belgischen Kolonialherrschaft beschrieben wurde, führte zu einem großen Echo in Europa. Unter dem öffentlichen Druck auch im eigenen Land übergab Leopold II 1908 seinen „Privatbesitz“ in die Hände des belgischen Parlamentes. Die Morde und Folter wurden seitdem weniger systematisch eingesetzt, es gab auch erste Versuche einer „Zivilisierungsmission“, aber die systematische Entrechtung und Ausbeutung der Kolonie setzte sich fort.
Mit der global einsetzenden Dekolonisierungswelle kam es auch im Kongo zu Aufständen. Belgien geriet international unter Druck und entließ Kongo 1960 überstürzt in die politische Unabhängigkeit ohne die Dekolonisierung zuvor auch nur im Entferntesten vorbereitet zu haben. Seitdem gab es nur 1 1/2 Jahre eine wirkliche Unabhängigkeit bis Joseph Mobutu mit us-amerikanischer und belgischer Unterstützung gegen die demokratisch gewählte Regierung unter Führung Patrice Lumumbas putsche und eine über 30-Jahre währende Diktatur einrichtete.
In den 1990er Jahren dann stürzte Laurent-Désiré Kabila die Regierung Mobutus und es kam ab 1996 zum sogenannten „Kongo-Krieg“ in dessen Verlauf es an vielen Fronten unterschiedliche Rebellengruppen mit der schwachen Zentralregierung zu Kämpfen kam. 2008 wurden Friedensabkommen zwischen der Regierung und einigen Rebellengruppen geschlossen, noch immer dauern die Kämpfe an und Blauhelmtruppen stehen noch immer im Kongo (zwischenzeitlich auch mit deutscher Beteiligung). Auch die UNO erkannte, dass es sich in diesen Konflikten nicht um „Stammes“-Rivalitäten sondern um einen hart geführten Kampf um Rohstoffe handelt.
Und was hat das mit uns zu tun?
Was früher der Kautschuk war, ist heutzutage die Coltan-Produktion. Dieses Erz ist in jedem Handy zu finden und wird für so gut wie alle technischen Produkte, wie Digicams, Laptops etc. pp. benötigt. Und es kommt so gut wie ausschließlich in der Region des Kongo vor. Jeder der ein Handy besitzt, trägt so ein kleines Stück dazu bei, dass die Region destabilisiert bleibt, weil viele verschiedene Gruppen und Konzerne ein elementares Interesse an der Ausbeutung des Coltan-Vorkommens haben. Kinderarbeit und teilweise sklavenähnliche Arbeitsmethoden sind durchaus an der tagesordnung im Coltan-Abbau. Die Kontinuitäten in der globalen Kolonialgeschichte sind nicht wegzuleugnen und bestimmen noch heute das Verhältnis der europäischen Staaten zu ehemaligen Kolonien (insbesondere in Afrika). Auch Initiativen wie „Kein Blut in meinem Handy“ verfehlten bisher ihre Wirkung. Es ist wichtig ein Bewußtsein für diese Ausbeutung zu schaffen. Eine einfache Lösung wie ein Verbot der Einfuhr (wie es die USA 2001 verabschiedeten) gibt es leider nicht. Auch ein Boykott trifft leider immer auch die falschen. Ein wenig mehr öffentlicher Druck, insbesondere auf die Konzerne*, die vom Coltan-Anbau profitieren, ist aber mehr als angebracht. (Das sollte die historische Verantwortung Belgiens zwar nicht mindern, aber eine Berichterstattung die ausschließlich auf die belgischen Gräueltaten reduziert ist, ist viel zu kurz gegriffen. Siehe zb. http://www.tagesschau.de/ausland/kolonialgeschichte100.html )
*Einer der deutschen Firmen, die aktiv an der Ausbeutung im Kongo und Ruanda beteiligt ist, ist eine Tochterfirma unseres Lieblingspharmaunternehmens BAYER.