Christa Goetsch sprach am 22.01.2015 in der Hamburgischen Bürgerschaft über die Aufarbeitung des (post-)kolonialen Erbes, welche einen „langen Atem“ und „Durchhaltevermögen“ benötige.
Kontrafaktische Geschichtsschreibung wird von den meisten Historikern nicht als wirklich seriöse Methode anerkannt, da die Möglichkeit der Falsifizierbarkeit nicht gegeben ist.
Die Frage nach einem „Was wäre wenn?“ kann aber besonders in didaktischen und pädagogischen Zusammenhängen erhellend wirken und einem deterministischen und teleologischen Geschichtsbild entgegenwirken.
In diese Sparte fällt auch eine gerade in der Washington Post publizierte Karte Afrikas, welche die Dinge sprichwörtlich auf den Kopf stellt und dabei helfen kann, einen gewissen Teil der Konflikte und Probleme, die durch die Kolonisierung entstanden sind, zu hinterfragen.
Auf Basis von politischen, ethnischen und linguistischen Studien zeichnete der schwedische Künstler Nikolaj Cyon eine Karte Afrikas, wie sie sich aus den Verhältnissen, die um 1844 vorlagen, hätten entwickeln können.
Ungewiss bleibt dabei, welche der vielfältigen ethnischen und linguistischen Gruppen 1844 tatsächlich jene Ausbreitung hatten. Unwahrscheinlich ist auch, dass alle dieser Gruppen, Staaten nach Westfälischem System mit klar definierten Territorien gebildet hätten.
Zum Vergleich der Ikonografie eine 1885 (direkt nach der Kongokonferenz) Herausgegebene Karte, in der die jeweiligen europäischen Ansprüche farbig markiert wurden.
Dennoch ist die Karte ein gutes Beispiel für gelungene kontrafaktische Geschichtsschreibung. Sie bedient sich der ikonographischen Ästhetik der politischen Karten des 19. Jahrhunderts und beginnenden 20. Jahrhunderts – und dreht sie auf den Kopf. Diese Verfremdung kulturell gelernter Perspektiven kann dabei helfen, jene wirkmächtigen Bilder zu dekonstruieren, die durch Karten vermittelt wurden und noch heute ein Bild des prä-kolonialen Afrikas zeichnen, das durch das Vorhandensein von großen „weißen Flecken“ geradezu auf die Entdeckung und Kolonisierung wartete.
Nachdem die Klage von Veteranen der „Mau Mau Revolution“, die in den 1950er Jahren das koloniale Selbstverständnis Großbritanniens erschütterte, 2012 spektakulärenErfolg hatte und zu einer neuen und intensiven historischen Aufarbeitung führte, vertritt dieselbe Anwaltskanzlei eine neue Klage zahlreicher Staaten der Karibik gegen Großbritannien, Holland und Frankreich wegen der Verbrechen und des Schadens der durch den transatlantischen Sklavenhandel verursacht wurde.
Auch wenn diese Klage tatsächlich weniger erfolgversprechend ist, wie jene der Mau Mau Veteranen, so birgt auch diese Klage das Potenzial zu einer umfassenden historischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung.
In den 1960er Jahren, der Phase einer verstärkten Entkolonisierung, ließ das britische Kolonialamt systematisch Akten vernichten, die Kolonialverbrechen der Briten während des Mau-Mau-Krieges betreffen. Den neuen von Großbritannien unabhängigen Regierungen sollten keine Dokumente in die Hände fallen,
that „might embarrass Her Majesty’s government“, that could „embarrass members of the police, military forces, public servants or others eg police informers“, that might compromise intelligence sources, or that might „be used unethically by ministers in the successor government“.