Schlagwort: Nationalsozialismus

  • Grausame Abgründe

    Grausame Abgründe

    „Unsere Mütter, unsere Väter“ ist das Thema der Woche. Am Montag titelte die Bild-Zeitung:

    Waren deutsche Soldaten wirklich so grausam?

    Als ob durch den Film bisher unbekannte Wahrheiten ans Licht kämen. Das Fazit der Redaktion lautet:

    Ein Entrinnen aus der Hölle dieses Krieges gab es für die deutschen Soldaten nicht. Wer desertierte, wurde meistens aufgegriffen und von einem Standgericht im Schnellverfahren zum Tode durch Erschießen verurteilt. Mehr als 15 000 solcher Todesurteile wurden verhängt. So blieb den Soldaten nur, den Wahnsinn bis zum Ende zu ertragen. 

    Quelle: bild.de [Hervorhebungen von mir]

    Es ist wohl wahr, dass ein Soldat im Verlauf eines Krieges nur wenige Optionen hat. Desertation ist zwar eine davon, doch hochgefährlich. (Nebenbei: Es bleibt eine bodenlose Frechheit, dass denjenigen, die den Mut hatten, sich gegen dieses System zu entscheiden und zu desertieren noch immer kaum gedacht wird.)

    Dennoch: Der Zweite Weltkrieg war kein Zufall. Er ist nicht „über die Deutschen gekommen“. Die deutsche Bevölkerung hat dieses Regime gewählt und unterstützt, dessen Grundlage unter anderem die Eroberung von „Lebensraum im Osten“ war.

    Rassismus, Nationalismus und Expansionismus amalgamierten zu einer verbrecherischen Ideologie, von deren Umsetzung in ein Staatskonzept ein großer Teil der Deutschen profitierte.

    Jener Teil, der nach dem Krieg gerne darauf verzichtet hätte, sich mit der eigenen Verstrickung auseinanderzusetzen oder gar die eigene Schuld anzuerkennen.

    Man kann nur staunenderweise den Kopf schütteln, wenn man sich beispielsweise die Karriere eines Hans Globke vor Augen führt, der zunächst an den berüchtigten Nürnberger Rassegesetzen mitgewirkt hat und später bis zu dessen Abwahl Staatsekretär im Kanzleramt von Konrad Adenauer wurde.

    Es sind diese Unfassbarkeiten gepaart mit der Forderung von Opfern dieses Unrechts-Regimes, die Verbrechen niemals zu vergessen (was – wie erwähnt – ein Großteil der Täter und sonstwie Verstrickten lieber doch getan hätte), der es schwer aushaltbar macht, wenn der populärste Kommentar zum oben erwähnten Bericht der Bild Zeitung lautet:

    bild.de Kommentar-Screenshot
    bild.de Kommentar-Screenshot

     

    Die nachkommenden Generationen haben keine Schuld und sie brauchen keinen Schuldkomplex. Aber sie müssen sich ihrer Verantwortung stellen; der Verantwortung so etwas nicht wieder zuzulassen genauso, wie der Verantwortung diese Verbrechen nicht einfach zu vergessen. Das bleiben wir den Opfern schuldig.

    Aber ob es dafür ausgerechnet diesen Film benötigt, daran zweifle nicht nur ich.

  • Schattenkampf (Arte)

    Schattenkampf (Arte)

    Schattenkampf (Screenshot)
    Schattenkampf (Screenshot)

    Dem deutsch-französischen Fernsehsender Arte ist mit dem Projekt Schattenkampf ein großer Wurf gelungen: Nicht nur die Dokumentation über den Widerstand gegen das Naziregime ist gelungen, auch der Versuch mit einem Cross-Media-Ansatz die heutigen Möglichkeiten von Geschichtsvermittlung im Internet zu nutzen, ist ein voller Erfolg.

    Unter http://schattenkampf.arte.tv/ gibt es zunächst eine Einführung in das Thema Widerstand gegen das Naziregime als Video. Dann startet die Dokumentation mit den Interviews der Zeitzeugen.

    Beeindruckende Zeugnisse des Widerstandes gegen den Naziterror sind auf diese Weise durch Zeitzeugen für jede_n zugänglich und für die Nachwelt konserviert. Zu allen Zeitzeugen gibt es kurze biografische Hinweise, die beim thematischen Quereinstieg helfen, die Interviews einzuordnen.

    Denn der Zugang zu den einzelnen Interviewausschnitten erfolgt nicht zwangsläufig gradlinig in Form eines fortlaufenden Films, sondern kann darüber hinaus thematisch oder geografisch erfolgen.

    Schattenkampf (Screenshot)
    Schattenkampf: Biografische Informationen (Screenshot)

    Unter der Überschrift Der Tag der Befreiung versammeln sich beispielsweise Eindrücke von Zeitzeugen über die Tage der Befreiung durch die Alliierten und die Rückkehr der Widerstandskämpfer in ihre jeweiligen Heimatstädte und -dörfer.

    Hilfreich ist dabei, dass bereits gesehene Interviews und Themen entsprechend mit einer Banderole („gesehen“) markiert werden und so eine schnellere Navigation zulassen.

    Das einzige Manko bleibt die Programmierung der kompletten Seite in Flash. Das mag zwar gut aussehen und funktioniert mit den meisten Rechnern und Browsern heutzutage, sperrt aber teilweise Internetnutzer aus, die auf barriefreie Webseiten angewiesen sind. Zudem wäre eine Videonavigation schön gewesen, die es erlaubt, vor- oder zurückzuspulen.

    Fazit: Ein großartiges Projekt, das trotz Abzügen in der Barrierefreiheit großartig für die Anforderungen des Internets umgesetzt wurde.

  • annefrank.org

    annefrank.org

    Ein Beispiel für eine wirklich gelungene Webseite mit historischem Hintergrund ist die Seite der Anne Frank Stichting: annefrank.org.

    Neben praktischen Informationen zum Museum in Amsterdam und weiterführenden Informationen zur Arbeit der Stiftung sind es vor allem die fundierten und gut aufbereiteten Informationen zu Anne Franks Geschichte, die einen überzeugenden Eindruck der Webseite hinterlassen. Hier zeigt sich welche Möglichkeiten Geschichtsvermittlung im Internet hat – und wie sie auf viel zu vielen Seiten ungenutzt bleiben.

    Screenshot annefrank.org
    Screenshot „Zeitleiste“ auf annefrank.org

    Großartig umgesetzt ist beispielsweise die in sieben Sprachen verfügbare Zeitleiste, in der vorbildlich die Geschichte der Familie Frank mit jener Mitteleuropas verbunden wird.
    Interaktive Elemente laden dazu ein, auf Entdeckungstour zu gehen und helfen dabei, das bestehende Wissen zu kontextualisieren.

    Screenshot annefrank.org
    Screenshot „Hinterhaus Online“ auf annefrank.org

    Einen ähnlichen Weg, der noch stärker auf die Interaktion mit den Nutzern setzt, ist das Hinterhaus Online. In einem 3D-Modell des rekonstruierten Hauses können die Nutzer die eingerichteten Räume des Verstecks der Familie Frank erkunden. Ein einführendes Video informiert zunächst über die Gründe für die Flucht und das Versteck und dann kann der Weg durch den Bücherschrank direkt in das Haus gewählt werden.

    Im Innern können sich die Nutzer frei durch die engen Räume bewegen. Symbole zeigen weitere Informationen an. Kurze Filme sollen den Alltag Annes und ihrer Familie deutlich machen.

    Dieser virtuelle Rundgang zeigt, wie gut neue Medien zur Geschichtsvermittlung eingesetzt werden können und ist in diesem Sinne vorbildlich.

    Darüber hinaus beweist auch die intuitive Menüführung und das aufgeräumte Design, dass annefrank.org Maßstäbe für die Onlinepräsenz von Museen setzt.

    Völlig zurecht gewann die Webseite daher 2010 den Webby Award in der Kategorie “Best Cultural Institution”.

    Ein sehr interessanter Teil der Webseite ist die Kategorie Inspiration, in der die Nutzer sich mit den Facebook- und Youtube-Seiten des Museums verbinden, Spenden an das Museum entrichten und auf kreative Art mit ihren Eindrücken umgehen können.

    So gibt es die Möglichkeit seinen Gefühlen durch ein Bild oder ein Text Ausdruck zu verleihen oder sich am Anne Frank Baum zu verewigen.

    Screenshot annefrank.org
    Screenshot „Anne Frank Baum“ auf annefrank.org

    Die Geschichte der Familie Frank lädt schon seit der Veröffentlichung des Tagebuchs der Anne Frank Menschen dazu ein, sich mit Verfolgung, Ausgrenzung, Antisemitismus und Faschismus zu beschäftigen. Die Webseite der Anne Frank Stiftung macht auf vorbildliche Weise deutlich, wie das auch mithilfe der neuen Medien funktioniert.

    Fazit: Diese Seite setzt Maßstäbe.

  • “Kalter Rausch der Bilder”: Die Propagandakompanien der Wehrmacht und die “geistige Mobilmachung”

    “Kalter Rausch der Bilder”: Die Propagandakompanien der Wehrmacht und die “geistige Mobilmachung”

    „Embedded Journalists“ – zivile Kriegsberichterstatter, die in Uniform bestimmten militärischen Einheiten zugewiesen sind – sind kein Phänomen der modernen Kriegsführung im Irak und in Afghanistan. Wenn demnächst wieder eine Reportage über den Zweiten Weltkrieg über ihren Bildschirm flimmert, können sie sich fast sicher sein: sie sehen teilweise Bilder und hören Töne, die durch eine eigene Einheit der Deutschen Wehrmacht produziert wurden, von Journalisten in Uniform im Auftrag des „Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda“.

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